Baurecht sticht Baumschutz

Nur Rottach-Egern hat sie. Ansonsten keine Tal-Gemeinde. Auch Bad Wiessee nicht. In der jüngsten Bürgerversammlung sprach sich Rathauschef Peter Höß erneut gegen eine Baumschutzverordnung aus. Sie sei für ihn ein „erheblicher Eingriff in das Grundrecht von Eigentum“. Gegen den Kahlschlag ist ein Baumkataster geplant.

Bad Wiessees Bürgermeister Peter Höß spricht spricht sich gegen eine Baumschutzverordnung aus. Ungeplante Fällungen müssen anders verhindert werden.
Bad Wiessees Bürgermeister Peter Höß spricht sich gegen eine Baumschutzverordnung aus. Ungeplante Fällungen müssen anders verhindert werden.

Gerade in Wiessee gibt es genügend Beispiele für Baumfrevel. Allen voran: Bauträger Otto Ebster. Schon dreimal ließ er unerlaubt riesige Bäume fällen, zuletzt im September. Was seinen Bauprojekten im Weg stand, musste weichen. Obwohl der für die Baugenehmigung geltende Freiflächenplan den Erhalt der Bäume vorschrieb, folgte ein Baumfrevel dem anderen, zuletzt in der Jägerstraße. Dort ließ die Ebster GmbH eine riesige Birke, eine alte Eiche und einen Ahorn kappen.

Vier Mehrfamilienhäuser sind dort geplant. Doch dass im Bebauungsplan die Bäume festgeschrieben sind, stört Ebster offenbar wenig. Der Gemeinderat ist alarmiert. Denn Ebster „handelte mit Vorsatz“, so Wiessees Geschäftsleiter Michael Herrmann, und dies müsse bestraft werden. Als Bußgeld sollen 50.000 Euro angesetzt sein. Offenbar nehmen solche Bauträger Geldstrafen in Kauf, wohl wissend, dass sie ihre Wohnungen mit baumfreiem Bergblick teurer verkaufen können.

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Eine Baumschutzverordnung helfe nur bedingt

Angesichts des teilweise skrupellosen Vorgehens glaubt die Gemeinde, dass dagegen auch eine Baumschutzverordnung nicht helfen würde. Denn Verstöße gegen geltendes Recht gebe es immer wieder. „Es soll nicht in Abrede gestellt werden“, beantwortete Höß eine schriftliche Anfrage von Anton Linsinger, „dass eine Baumschutzverordnung in gewissen Punkten durchaus eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Rechtslage bedeuten würde, indem sie verbindliche Regularien vorgibt, die eingehalten werden müssen.“

Andererseits gab Höß zu bedenken, dass eine solche Verordnung „einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Besitz und Eigentum der Bürger darstellt.“ Deshalb habe sich der Gemeinderat gegen eine Baumschutzverordnung ausgesprochen. Zudem hätten auch nur wenige Gemeinden bisher den Baumschutz reglementiert. „Dies hat triftige Gründe“, versuchte Höß zu erläutern, „denn Baurecht hat Vorrang vor Baumschutz. Kein noch so schützenswerter Baum kann durch eine Verordnung gerettet werden, wenn er der zulässigen Errichtung eines Gebäudes im Wege steht.“

Bäume würden nicht mehr groß

Weiterhin bestehe die Gefahr, dass wertvolle Bäume gefällt würden, bevor sie einen schützenswerten Stammumfang von 80 Zentimetern erreichten, um späteren Nachteilen wie Verschattung oder Blickbeeinträchtigung zu begegnen. „Wo solche Baumschutzverordnungen existieren, werden einfach keine Bäume groß, weil man Angst hat, wenn sie zu groß werden, dürfe man sie nicht mehr fällen“, so Höß in seiner Begründung.

Weiter führte er an, dass für alte und kranke Bäume, die bisher ohne Probleme gefällt werden konnten, mit einer Verordnung daraus ein gebührenpflichtiger Verwaltungsakt gemacht werde. Stimme die Gemeinde einem Fällantrag nicht zu, was häufiger der Fall sei, müsse der Baumbesitzer auf seine Kosten gegebenenfalls einen Gutachter oder einen Anwalt einschalten. „Es besteht eine Gefahr von vermehrten Rechtsstreitigkeiten“, so Höß. Deshalb leiste eine Baumschutzverordnung nur vordergründig einen positiven Beitrag zum Schutz der Bäume. „Man kann dadurch auch weder Personen, noch einem Bauträger Einhalt gebieten, denen Bäume überhaupt nichts bedeuten.“ Die Gemeinde halte eine fachkundige Beratung der Bürger zum Erhalt und Schutz der Bäume für wesentlich geeigneter als die Bevormundung durch neue Vorschriften.

Geplant ist ein Kataster für Bäume

Etwas anders sieht dies wohl Bayerns Umweltministerium in seiner jüngsten Veröffentlichung vom Mai 2015: Mit der Baumschutzverordnung werde eine Durchgrünung der bebauten Bereiche erreicht. „Dies hat erhebliche positive Wirkungen, wie z.B. die Belebung und Pflege des Ortsbildes, eine Verbesserung des Stadtklimas sowie die Minderung des Lärms und Reinhaltung der Luft.“ Höß dagegen setzt auf das Bewusstsein der Bevölkerung, „dass ein schöner Baum etwas Besonderes ist.“ Dies sei in der Zwischenzeit viel präsenter als noch vor Jahren.

Dennoch vertraut er dem Sinneswandel nicht ganz. Demnächst plane Bad Wiessee ein Kataster, ein Register für schützenswerte Bäume, verkündete der Bürgermeister auf der Versammlung. Für die Bäume auf Ebster-Grundstücken kommt dies zu spät, wie zum Beispiel am Klosterjägerweg. Dort ließ der Bauträger vor zwei Jahren unrechtmäßig Bäume fällen. Eine Nacht- und Nebelaktion mit Folgen. Am 27. Juli wird der Fall Ebster vor dem Amtsgericht Miesbach verhandelt.

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