Braucht das Tal neue Luxushotels?

Rund um den Tegernsee sind derzeit etwa sieben neue Hotels in Planung. Die meisten davon im Vier- bis Fünf-Sterne-Bereich, mit weit über 1.000 zusätzlichen Betten. Doch gibt es dafür überhaupt einen Bedarf? Der Tourismusexperte Prof. Dr. Harald Pechlaner hat dazu eine klare Meinung.

Prof. Dr. Harald Pechlaner im Gespräch.
Prof. Dr. Harald Pechlaner im Gespräch.

Der erste Tag des Tourismus nach der gescheiterten Fusion wirft seine Schatten voraus. Gleichzeitig sucht die TTT nach einem neuen Chef. Und die Investoren stehen bereit, um die ersten Hotelprojekte am Tegernsee zu realisieren. Ob das gut ist und worauf die Verantwortlichen achten müssen, dazu sprach die TS mit dem renommierten Inhaber des Lehrstuhls für Tourismus an der Katholischen Universität Eichstätt, Prof. Dr. Harald Pechlaner.

Tegernseer Stimme: Sie forschen und lehren im Bereich Tourismusmanagement und Unternehmertum und haben sich dabei auf Themen der Destinations- und Standortentwicklung spezialisiert. Was ist für Sie eine Grundmaxime bei Hotelprojekten?

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Prof. Dr. Harald Pechlaner: Tragfähig ist das, was im Spannungsfeld von Gast und Gastgeber akzeptiert wird und was eine Balance ermöglicht. Wichtig ist die Balance in der Lebensqualität des Raumes für die einheimische Bevölkerung sowie für die Gäste.

Tegernseer Stimme: Sie waren Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswirtschaft und sind Mitglied im Beirat der Deutschen Zentrale für Tourismus. Wie beurteilen Sie den geplanten Bauboom von Hotels am Tegernsee?

Prof. Dr. Harald Pechlaner: Ich gehe mal davon aus, dass die Projekte nicht alle zeitgleich umgesetzt werden. Aber es zeugt von der Attraktivität der Region, dass man in Hotelbetten investieren will. Grundsätzlich ist dies eine gute Botschaft. Denn es gibt viele Regionen, wo Investoren händeringend gesucht werden und sie auch nur unter erschwerten Bedingungen zu finden sind. Man wäre anderswo froh, wenn der eine oder andere Investor da vorbeischauen würde. Dagegen scheint das Tegernseer Tal attraktiv zu sein.

Tegernseer Stimme: Ist das Tegernseer Tal nicht bereits sehr zugebaut?

Prof. Dr. Harald Pechlaner: Da ich im Tourismusmanagement selbst tätig war, kann ich sagen, dass man mit der Destination Tegernseer Tal sicherlich über Jahrzehnte entsprechend behutsam umgegangen ist. Ansonsten würde die Region für Zielgruppen nicht mehr attraktiv erscheinen. Was zugebaut und zugemüllt ist, ist für einen Gast nicht mehr attraktiv.

Beträchtlicher Investitionsstau im Tal

Tegernseer Stimme: Nicht wenige Bewohner sehen die geplanten Hotelprojekte kritisch. Zu Recht?

Prof. Dr. Harald Pechlaner: Wir müssen aufpassen, dass Tourismusregionen nicht verbaut werden. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es im Tegernseer Tal bei vielen Betrieben einen beträchtlichen Investitionsstau gibt. So dass die Qualität des touristischen Angebots am Tegernsee nicht unbedingt immer gestiegen ist, sondern eigentlich – ich wage es zu sagen – rückläufig war, stagnierte. Daher muss man einerseits die Betriebe ermuntern, dass sie weiterhin in die Qualität investieren.

Aber andererseits ist es gut und richtig, dass man neue Investments zulässt. Denn diese beflügeln auch die bereits bestehenden Betriebe, an ihrer Qualität zu arbeiten. Der Wettbewerb im System ist da gut. Ich bin kein grundsätzlicher Gegner von Investments. Man müsste die im Tal erkennbare Trendwende hin zu einem für Gäste und Märkte attraktiven Angebot nützen und im Grunde auch eine bestimmte Anzahl von Großprojekten zulassen.

Tegernseer Stimme: Wie viele Luxushotels braucht das Tal bei stagnierenden Übernachtungszahlen?

Prof. Dr. Harald Pechlaner: Eine Region darf nicht zu einer Vier- oder Fünf-Sterne-Region werden, das wäre fatal. Im Übrigen gilt dies auch für die Paradedestinationen in Tirol und Südtirol. Auch dort wird immer wieder hervorgehoben, dass man nie vergessen darf, wo man herkommt. Man kommt von den einfachen Pensionen. Deshalb sollte man nicht so tun, als wolle man heute nur noch Fünf-Sterne-Häuser. Das ist auch für den Markt abträglich.

Tegernseer Stimme: Was braucht es Ihrer Meinung nach dafür?

Prof. Dr. Harald Pechlaner: Vor allem ein breit gefächertes Angebot. Dennoch ist die Investition in Vier- oder Fünf-Sterne-Häuser grundsätzlich eine gute Entscheidung. Sie beflügelt das Qualitätsdenken einer Region. Aber ich wäre dagegen, zu sagen, das andere Produkt hat keinen Wert mehr. Denn die kleineren Betriebe waren auch in weniger guten Zeiten da. Es wird eine Herausforderung für den neuen Tourismusdirektor, das Bestehende und das Neue zu einer Symbiose zu verknüpfen.

Tegernseer Stimme: Wollen Sie sich nicht als Nachfolger von Georg Overs ins Spiel bringen?

Pechlaner lachend: Nein, ich habe das schon einmal gemacht. Jetzt mache ich Wissenschaft. Aber diese ist ganz eng mit der Praxis verbunden.

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