Der virtuelle Patient

Im Herbst könnte ein Pilotprojekt Realität werden: die Vernetzung von Patientendaten zwischen Praxen und dem Krankenhaus Agatharied. Ärzte können so schneller Daten der Patienten untereinander austauschen. Ein Miesbacher Arzt beteuert, dass die Daten so nicht in unbefugte Hände geraten würden.

Dr. Norbert Thaller befürwortet die Einführung der virtuellen Krankenakte
Dr. Norbert Thaller befürwortet die Einführung der virtuellen Krankenakte.

Ausgangspunkt für den Nierenfacharzt und Diabetologen Dr. Norbert Thaller war, dass Patientendaten bei verschiedenen Fachärzten vorhanden sind, sie aber zusammengeführt werden. Auch habe der Patient seine Laborwerte vom Hausarzt oft nicht dabei, oder kenne seinen Medikamentenplan gar nicht, wenn er zum nächsten Doktor gehe.

„Sie glauben nicht, wie viel Zeit man verbringen kann, auszutüfteln, welche Medikamente der Patient letztendlich braucht“, beklagt Thaller, „und das in einer Zeit, in der wir gezwungen sind, die Zeiten pro Patient kurz zu halten. Weil wir pro Patient nur eine Summe X bekommen, mit der man dann die laufenden Kosten bestreiten muss.“

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Schnellere Behandlung möglich

Da habe man nicht die Zeit, sich wirklich um den Patienten zu kümmern. Man vergeude Zeit damit, irgendwelche Daten zu erheben, die eigentlich woanders schon vorlägen, begründet Thaller seine Initiative. Bislang hätten sich etwa 25 bis 40 Arztpraxen im Landkreis für diesen Datenaustausch interessiert, etwa 20 davon allein aus dem Tegernseer Tal.

Auch für die Klinik in Agatharied sei es viel effizienter, wenn sie bei der Einlieferung eines Patienten zum Beispiel am Wochenende gleich auf dessen medizinische Daten zugreifen könnte. Eine Behandlung könne somit schneller erfolgen, ist sich Thaller sicher.

Datentransfer mit Klinik Agatharied

„Der Patient wird beim ersten Arzt gefragt, ob er mit einem Datenaustausch einverstanden ist. Dann kann bereits mit dem zweiten Arzt der Transfer erfolgen. Oder die Daten gehen dann direkt in die Klinik“, erklärt Norbert Thaller die Vorgehensweise. Noch aber sei man in der Findungsphase.

Wenn der Patient dem Datentransfer zustimme, könnten dann unmittelbar sein Medikamentenplan, die Untersuchungsergebnisse, die Diagnoseliste, Laborwerte und zum Beispiel das Herzecho oder ein schriftlicher Befund vom Röntgenbild eingesehen werden, samt einer Zeile, von der der behandelnde Arzt glaubt, das könnte auch für die Weiterbehandlung von Bedeutung sein. Thaller betont:

Jeder Arzt kann aber individuell entscheiden, welche Daten er dem Netz zur Verfügung stellen möchte. Die virtuelle Krankenakte ist sehr plastisch.

Sie sei umso effizienter, je mehr Ärzte mitmachten. In anderen Landkreisen hätten sich Ärzte mit diesem System bereits vernetzt. „Dort läuft die digitale Vernetzung recht gut“, berichtet Thaller.

Thaller und Kollegen haben sich für das Münchner Unternehmen MicroNova AG entschieden. Deren System biete entsprechende Sicherheit, verdeutlicht Initiator Thaller, „wir wollen keinen zentralen Datenserver, der nur beschränkt geschützt werden kann. Und zweitens wollten wir unsere Software in unseren Praxen nicht vereinheitlichen. Das System zu ändern, an das man gewohnt ist, ist eine enormer Aufwand.“

Ein schneller uns sicherer Datenaustausch könnte dann auch in Agatharied helfen
Ein schneller und sicherer Datenaustausch könnte dann auch in Agatharied helfen.

MicroNova hält seine Software-Lösungen für das Gesundheitswesen für „einmalig auf dem Markt: Die eHealth-Lösungen von MicroNova vernetzen die unterschiedlichen Akteure des Gesundheitssektors miteinander; sie schaffen so die Basis für einen einfachen und sicheren Informationsaustausch zwischen Ärzten, Ärztenetzen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Laboren oder Telemedizinanbietern.“

Die Datensicherheit sei bereits in Absprache mit TÜV und Datenschutzbeauftragtem geprüft worden und stehe kurz vor der Zertifizierung. Für jede Arztpraxis entsünden für die Vernetzung Kosten von etwa 2.000 Euro.

Eine E-Card sei die schlechtere Lösung

„Mein pragmatischer Ansatz ist auch ein politischer“, so Thaller. „Wir haben sehr große Spieler im Gesundheitssystem, die aus allem Geld machen wollen, wo es nur geht. Und eine sehr begehrte Ware sind Patientendaten. Momentan wird auf verschiedenen Ebenen Druck gemacht, werden Projekte kreiert, die eigentlich eine solche Vernetzung zum Ziel haben.

Das Problem bei diesen Vernetzungen ist, dass Institutionen und Menschen diese Daten in den Fingern haben, die eigentlich mit diesen persönlichen Patientendaten nichts zu tun haben. Beispielsweise diese teure E-Card, die man schon seit fünf oder sieben Jahren propagiert und irrsinnige Gelder damit verschwendet hat, obwohl wir Ärzte immer wieder gesagt haben, wir wollen das nicht, wir halten dies nicht für zielführend.“

Vernetzung für Ärzte und Patienten

Auf dieser E-Card würden auf nicht weiter veröffentlichten Wegen Informationen mit zentralen Servern ausgetauscht und so dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden. Dies gleiche einem Dammbruch, „denn Versicherungen und Unternehmen würden an Daten rankommen, an die sie sonst nie herankommen würden. Was dann mit diesen Patientendaten geschieht, haben wir Ärzte nicht mehr in der Hand“, beschreibt Thaller die Lage.

Nicht nur die Versicherungen, auch die Politik sei an der Aufarbeitung der Gesundheitsdaten interessiert. Interesse zeige auch die Wirtschaft, wie zum Beispiel die Werbung oder die Pharmaindustrie. „Letztlich steht hinter der E-Card eine Industrie, die mit den Patientendaten Geld machen will“, glaubt Thaller.

Deshalb sei er der Ansicht, wenn schon eine digitale Vernetzung gefordert werde, dann wollten er und seine Mitstreiter eine Alternative mit der größtmöglichen Sicherheit für Patienten und Ärzte. „Und sonst niemand. Wir wollen keine Vernetzung mit der AOK oder der Kassenärztlichen Vereinigung“, erklärt Norbert Thaller, „denn wir wollen dann zeigen können, dass wir eine viel bessere Vernetzung für das haben, was Ärzte und Patienten brauchen.“

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