Dicke Luft am Hügelweg

Über 20 Jahre ist nichts passiert. Nun droht Mietern der Wiesseer Gemeindewohnungen am Hügelweg bis zu 300 Prozent mehr Miete. Dabei sei der neue Vertrag „noch verhandelbar“, wie Patrik Zeitler, Chef des Kommunalunternehmens Bad Wiessee betont. Die Bewohner laufen trotzdem Sturm – eine Mieterin hat sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Seit 1968 steht dieses Haus am Hügelweg 4 - 12 Gemeindewohnungen und eine Zahnarztpraxis sind hier untergebracht
Seit 1968 steht dieses Haus am Hügelweg 4. Zwölf Gemeindewohnungen und eine Praxis sind hier untergebracht.

Seit 1968 steht das Haus mit den zwölf Wohnungen am Hügelweg 4. Vor sich haben die Bewohner den Tengelmann, daneben die neue Polizeiinspektion. Junge Polizisten mit ihren Familien waren es auch, die damals einzogen. Manche leben immer noch hier. Ihre Dienststelle war einst unmittelbar im Haus, heute sind die Räume gewerblich an eine Zahnarztpraxis vermietet. Betritt man das Haus mit vier Stockwerken, so ist unverkennbar, dass es in die Jahre gekommen ist. Das Treppenhaus ist sauber, aber runtergekommen. Ein dringender Renovierungs- und Sanierungsbedarf springt ins Auge.

„Bei uns ist eigentlich in den 48 Jahren nie saniert worden. Wir haben nur vor etwa drei Jahren eine neue Heizung bekommen, da die alte völlig marode war. Im gleichen Zustand waren auch die Fenster, die erneuert wurden“, erzählt ein Mieter. Geht es nach dem Willen von Patrik Zeitler, Chef des Kommunalunternehmens Bad Wiessee, soll nun die Wohnanlage auf Vordermann gebracht werden. Doch das kostet Geld und dazu sollen auch die Mieter beisteuern. Deswegen wurden die Mieter im Januar ins Rathaus gebeten. In Einzelgesprächen unterbreitete Zeitler dann seine „Mieterhöhungsvereinbarung“, die sie gleich „akzeptieren und unterschreiben sollten“, wie Mieter erzählen.

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Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Für sie wäre es eine Mietsteigerung von über 150 Prozent gewesen, bei einer geplanten Modernisierung gar 300 Prozent. Sie wissen, dass sie mit 2,76 Euro pro Quadratmeter sehr günstig hier am Hügelweg wohnen. Ab 1. März sollen es 7 Euro sein. Eine knapp 75 Quadratmeter große Wohnung würde dann statt 204 Euro monatlich 518 Euro kosten. Erfolgt die Modernisierung, wären es dann 9,50 Euro pro Quadratmeter und somit 712 Euro Monatsmiete. Ein Mieter beschreibt die Situation so:

Dass eine Mieterhöhung kommt, damit haben wir alle gerechnet. Mit einer moderaten Mieterhöhung wären wir auch einverstanden, nicht aber mit 150 Prozent und mehr.

Eine Mieterin bemüht mittlerweile sogar die Münchner Staatsanwaltschaft gegenüber Wiessees Bürgermeister Peter Höß und Patrik Zeitler. Diese soll ermitteln, ob hier unter anderem nicht auch der Straftatbestand der Nötigung erfüllt sei. Der Mieterin sei unter anderem von Zeitler mit Konsequenzen gedroht worden, „falls sie sich mit der Forderung der Gemeinde nicht einverstanden erklären würde“. Gegenüber der TS wollte dieser sich nicht zu den Vorwürfen äußern, da er sie nicht kenne.

Gemeinde versäumte 20 Jahre lang Mieterhöhungen

„Eigentlich dürfte die Miete alle drei Jahre um 20 Prozent erhöht werden, doch dies hat die Gemeinde offensichtlich in den zurückliegenden Jahren versäumt“. Damit sind für die Gemeinde offensichtlich auch höhere Mietzahlungen ausgeblieben. „Ja, es ist so. Es ist ihr Geld entgangen, weil die Einschätzungen über die Entwicklung der Mieten anders waren. Dem lagen auch gewissermaßen Fehleinschätzungen zu Grunde, so ist es eben dann passiert. Aber es ist nicht meine Aufgabe, dies nachzuvollziehen“, räumt Zeitler ein. Warum eine Steigerung der Miete unterlassen wurde, könne er nicht sagen.

Zeitler ist seit 1. September vergangenen Jahres im Amt. Sein Problem ist offensichtlich: „Es gibt bei den 200 Gemeindewohnungen kein homogenes Preisgefüge“. Die „Spreizung“ reiche von 2,76 Euro pro Quadratmeter bis über 10 Euro im gleichen Haus. Wer in den vergangenen Jahren einzog, zahle bereits etwa 10 Euro, wohl auch, weil 2007 die Fehlbelegungsabgabe entfiel. „Zu diesem Zeitpunkt haben wir dann schon mit einer Mieterhöhung gerechnet, aber sie kam nicht“, sagt ein Bewohner, dessen Miete zuletzt 1995 erhöht wurde. Etliche seiner Mitbewohner würden Zeitler bislang die Unterschrift unter den neuen Mietvertrag verweigern.

Patrick Zeitler ist seit Oktober 2015 neuer Leiter  des Wiesseer Kommunalunternehmens / Archivbild
Patrick Zeitler ist seit September 2015 neuer Leiter des Wiesseer Kommunalunternehmens / Archivbild

Doch angesichts des Widerstands gibt es bei dem Chef des KBW womöglich ein Einlenken. „Denn“, so Zeitler, „die Mietvereinbarung ist im Rahmen der Vertragsfreiheit verhandelbar. Wir sind auch weiter im Dialog. Es gibt noch viele Stellschrauben. Wichtig ist mir, dass nicht nur die Mieterhöhung von 150 Prozent kommuniziert wird, denn in unserem Angebot sind auch noch drei Zusicherungen enthalten.

Wichtig für die Sozialverträglichkeit ist erstens die Zusage, dass dann bis zum Jahr 2026 keine Mieterhöhung mehr stattfindet, zweitens versichern wir, bei einer Modernisierung die Kosten zu deckeln. Bei höheren Kosten hat dann das KBW das Risiko. Und drittens haben wir dann in der ferneren Zukunft die Mieten vom Mietpreismarkt entkoppelt. Dies ist als Gesamtpaket ein sehr gutes Angebot“, glaubt Zeitler. „Es ist auch individualisierbar“, dies sei auch mit den Mietern „so kommuniziert“.

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