Die Kluft bleibt auch in Kreuth

Etwa zwei Stunden diskutierte Bundeskanzlerin mit der CSU-Landesgruppe, doch die dicke Luft zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer bleibt: Es gibt keine Einigung auf eine Obergrenze, wie aus Teilnehmerkreisen in Wildbad Kreuth zu hören ist. Englands Premier Cameron als Gast der Christsozialen befürchtet einen Sog, das das Sozialsystem seines Landes bei Flüchtlingen auslösen könnte.

Horst Seehofer und Angela Merkel zeigen sich auch in Kreuth uneins
Horst Seehofer und Angela Merkel zeigen sich auch in Kreuth uneins

Bereits im Vorfeld der Klausurtagung wurde klar, dass die CDU-Vorsitzende Merkel nicht auf den Kurs von CSU-Chef Seehofer einschwenkt, der von einer Obergrenze von maximal 200.000 Flüchtlingen pro Jahr sprach, die Deutschland verkraften und integrieren könnte. Zu Beginn des Treffens sah Seehofer bereits das Ergebnis voraus: „Ich bin bei dem Gespräch mit Merkel sehr zuversichtlich. Das heißt aber nicht, dass wir um 19 Uhr eine andere Flüchtlingspolitik haben werden“.

So kam es wohl auch. Merkels Credo klingt für die CSU aber weniger erfreulich. Es war lediglich zu vernehmen, dass sie die Flüchtlingszahlen schnell drücken wolle. Mehr war ihr nicht zu entlocken, auch keine Obergrenze, wie von der CSU gefordert.

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Seehofer will Probleme gemeinsam lösen

Merkel setzt weiterhin vor allem auf die Unterstützung der Europäischen Union und der Grenzschutzbehörde Frontex. Viele in der Union bezweifeln seit Monaten, dass die EU-Nachbarländer willens und fähig sind, das Flüchtlingsproblem ernsthaft anzugehen – und Deutschland weiter im Stich lassen. Merkel setzt weiter auf die Türkei als Grenzwächter am Mittelmeer.

Doch die Realität dort ist, dass nach einer kurzen Zwischenphase Flüchtlinge wieder ungehindert die Schlauchboote Richtung Griechenland stürmen. Versichert habe Merkel den CSU-Abgeordneten, dass die in Deutschland lebenden syrischen Flüchtlinge dann wieder in ihre Heimat zurück geschickt würden, wenn in Syrien eine friedliche Lösung gefunden werde.

Seehofer machte vor allen Teilnehmern noch einmal deutlich, dass man die anstehenden Probleme gemeinsam mit Angela Merkel lösen wolle. Die Bundeskanzlerin erklärte der CSU-Landesgruppe erneut, dass Menschen mit abgelehnten Asylanträgen schneller abgeschoben werden müssen. Und die Anträge schneller bearbeitet werden. Aber darüber besteht schon lange Konsens innerhalb der Union.

„Haben Sie den Eindruck“, fragte die Tegernseer Stimme Horst Seehofer, „dass die zugesagten drei Milliarden Euro an die Türkei in der Flüchtlingsfrage irgendetwas bewirken?“ Seehofer: „Die sind ja noch nicht überwiesen. Ich hoffe aber, dass dies geschieht. Wir wissen aber alle nicht, ob die Wirkung des Erhofften dann eintritt. Das weiß auch die Kanzlerin nicht. Das hat sie gestern sehr deutlich gesagt“.

Cameron – ein Verbündeter im (Kreuther) Geist

Mit dem anderen Gast in Kreuth ist man eher auf einer Linie, quasi Brüder im Geiste: mit Englands Premier David Cameron. Der Konservative von der Insel und die CSU – das ist eine Verbindung beim Thema Flüchtlinge, die passt. Denn seine Pläne, EU-Ausländern den Zugang zum eigenen Sozialsystem zu erschweren, sind ganz nach dem Geschmack von Horst Seehofer. Mit Blick auf die Migrationsfrage sagte der konservative britische Premier, das Sozialsystem seines Landes dürfe keinen Sog ausüben.

Premier David Cameron auf der Klausurtagung in Wildbad Kreuth
Premier David Cameron auf der Klausurtagung in Wildbad Kreuth

Und: “Wir wollen keine übermäßige Zuwanderung aus der EU. Wir sind nicht Teil der Euro-Zone, wir sind auch nicht Mitglied des Schengen-Abkommens.” Seine Regierung bekenne sich wie Deutschland zum Prinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit, wolle den Anspruch auf Sozialleistungen in den ersten vier Jahren aber einschränken.

Dies könne ihm auch dabei helfen, die Briten von einem Verbleib in der EU zu überzeugen, argumentierte Cameron. Seine Kürzungspläne sind in der Europäischen Union umstritten. CSU-Chef Horst Seehofer hatte gestern gesagt, die Haltung des Briten zum Umgang mit Sozialleistungen für EU-Bürger im eigenen Land sei „CSU pur“.

Forderungen nach einer EU-Reform

Ex-Parteichef Edmund Stoiber nennt darum auch die deutsche Flüchtlingspolitik als das Problem beim Versuch, Großbritannien in der EU zu halten. “Die Engländer sind hier sehr sensibel gewesen. Ich war selbst überrascht, wie hart er eingestiegen ist, wie sie auch jetzt operieren. Sie sagen, wir nehmen 20.000 Syrer, aber in den nächsten fünf Jahren und wir wählen sie selbst aus. Da sind wir schon weit auseinander“, wird Stoiber zitiert.

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Übereinstimmung mit den Briten findet die CSU außerdem bei der Forderung, Kompetenzen von der europäischen Kommission auf die Mitgliedsstaaten zurück zu gewinnen. Hier will Kanzlerin Merkel den Briten so weit wie möglich entgegenkommen: “Dass wir die Entscheidung fällen, die aus unserem Interesse heraus dazu führen könnten, dass wir ein vernünftiges Paket bekommen, damit Großbritannien auch nach dem Referendum Teil der EU bleiben kann.” Cameron will die Bürger seines Landes spätestens 2017 darüber abstimmen lassen, ob das Vereinigte Königreich in der EU bleiben soll.

Bei der Verabschiedung von Cameron aus Kreuth meldete sich auch Gerda Hasselfeldt als Chefin der CSU-Landesgruppe zu Wort. Sie sagte, dass gerade in der Zeit, in der Europa vor großen Herausforderungen stehe, hoffe die CSU weiterhin, dass Großbritannien in der EU bleibe, denn das Land sei ein wichtiger Partner nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dies gelte auch bei der Bekämpfung der Flüchtlingskrise“. Cameron reiste von Kreuth weiter nach Ungarn, um dort beim rechtskonservativen Regierungschef Viktor Orban für seine geplante EU-Reform zu werben.

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