Bad Wiessee wusste vorher Bescheid

Aktualisierung vom 20. Mai 2015 / 11:24 Uhr
Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass der alte Pfarrhof in Bad Wiessee unter Denkmalschutz gestellt wurde. Doch nicht die zuständige Pfarrei erfuhr davon zuerst, sondern die Gemeinde. Und diese gab die Information offenbar nicht weiter.

Der Pfarrhof in Bad Wiessee steht jetzt unter Denkmalschutz
Der Pfarrhof in Bad Wiessee steht seit Kurzem unter Denkmalschutz.

Er sei ziemlich „angefressen“ und halte es für „eine bodenlose Unverschämtheit“, schimpfte Herbert Stadler am Freitag in der Tegernseer Stimme, „wenn er die Entscheidung der Denkmalpfleger über Dritte erfahren müsse“.

Er als Kirchenpfleger der Gemeinde Bad Wiessee habe erwartet, dass man mit der Pfarrei und ihm zuerst Kontakt aufnehme. So musste er aus der Presse erfahren, dass das historische Gebäude am Kirchbichl schützenswert sei und nicht, wie von Stadler gefordert, einem Neubau weichen müsse.

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Pikant ist vielleicht an dieser Stelle, dass die Gemeinde vorab über die Entscheidung der Denkmalpfleger informiert wurde, aber das Schreiben nicht bis zum CSU-Gemeinderat Stadler vordrang. Zumindest belegt dies die Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege, die der Tegernseer Stimme vorliegt:

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat den gesetzlichen Auftrag zu prüfen, ob ein Gebäude die Kriterien von Artikel 1 des Denkmalschutzgesetzes erfüllt. Ist dies der Fall, wird das Gebäude in die Denkmalliste eingetragen. Die jeweilige Gemeinde/Stadt wird im Rahmen des sogenannten „Benehmensverfahrens“ darüber informiert. Sie hat nach Erhalt des Schreibens mehrere Wochen Zeit, fachliche Korrekturen und/oder Einwände vorzubringen; anschließend ist das Benehmensverfahren abgeschlossen.

Daher wusste die Gemeinde schon seit Tagen, dass Pfarrhaus und Bergfriedhof in die bayerische Denkmalliste aufgenommen wurden. Nun heißt es dort: „Fritz-von-Miller-Weg 4 a, 5, 8, Kath. Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, Saalbau mit eingezogenem polygonalem Chor und hohem Nordturm, in Formen eines gotisierenden Heimatstils, 1924-26; mit Ausstattung; Pfarrhaus, eingeschossiger Halbwalmdachbau mit Erker, im Heimatstil, 1933; Bergfriedhof, Anlage auf Hangrücken mit gekurvten Wegen und Gräbergruppen, um 1940; alle nach Entwurf von Rupert von Miller; Friedhofskreuz, neugotisches monumentales Kruzifix mit Wettermantel, 1905.“

Ursprünglicher Artikel vom 15. Mai 2015 mit der Überschrift: „Doch keine Abrissbirne am Kirchbichl“

Für alle in Bad Wiessee kommt die Entscheidung des Landesamtes für Denkmalpflege unvorhergesehen: Der historische Pfarrhof wurde unter Denkmalschutz gestellt. Niemand hat zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet, denn bis 15. August sollten noch Stellungnahmen eingereicht werden.

Seit 80 Jahren ist das „barockzeitliche Amts- und Pfarrhaus“, so damals der Erbauer Rupert von Miller, Teil des Gesamtensembles der Maria Himmelfahrtkirche. Doch die Pfarrei wollte das sanierungsbedürftige Haus abreißen lassen und durch einen Neubau ersetzen. Denn sie muss bis Ende 2016 aus dem St. Josefsheim im Löblweg ausziehen.

Damit steht dann auch kein Pfarrsaal mehr zur Verfügung, denn der Pachtvertrag ist vom Eigentümer, den Schwestern aus Speyer vom Orden der Heiligen Maria-Magdalena, über 2016 hinaus nicht verlängert worden. Als Ersatz für das Josefsheim hatte Wiessees Kirchenpfleger Herbert Stadler das alte Pfarrhaus im Auge. Daraus wird nun nichts, denn es kommt auf die Liste der denkmalgeschützten Bauten.

Der Pfarrhof präge das Ortsbild

Ende März fiel wohl nach einer Ortsbesichtigung bereits die Entscheidung der Denkmalschützer. Der alte Pfarrhof sei deshalb schützenswert, weil er einen Halbwalmdach-Bau mit Erker im Heimatstil darstelle. Zu dem Ensemble gehöre auch der Bergfriedhof mit seinen gekurvten Wegen und den Gräbergruppen sowie das neugotische monumentale Friedhofskreuz von 1905. Diese Gruppe bilde eine zusammenhängende Einheit.

Das Ensemble sei von geschichtlicher, architektonischer und städtebaulicher Bedeutung, ein Beleg für das Entstehen einer Pfarrgemeinde in Zusammenhang mit einem wachsenden Ort im frühen 20. Jahrhundert und damit ein sichtbares Zeichen für das Wachstum von Bad Wiessee in diesen Jahren. Das Ensemble sei prägend für das Ortsbild von Bad Wiessee und dem Tegernsee, heißt es in der nun bekanntgewordenen Entscheidung des Denkmalamtes.

Ziemlich „angefressen“ über diese überraschende Entscheidung der Denkmalpfleger ist Herbert Stadler, der Kirchenpfleger der Pfarrei. Er sollte eigentlich bis 15. August noch eine Stellungnahme zum alten Pfarrhof beim Landesamt für Denkmalpflege einreichen. „Wenn ich deren Entscheidung über Dritte erfahren muss, was mit unserem Haus passiert, dann finde ich dies eine bodenlose Unverschämtheit“, so Stadler auf Anfrage. Er habe erwartet, dass man mit den Hausbesitzern zuerst Kontakt aufnimmt. Nächste Woche werde man die neue Situation bei einer Sitzung der Kirchenverwaltung beraten, wie es weitergehe. Detailliert wolle sich Stadler erst äußern, wenn er etwas Schriftliches in den Händen habe.

Johannes von Miller zeigt sich erleichter über die Neuigkeiten rund um den Pfarrhof
Johannes von Miller zeigt sich erleichtert über die Neuigkeiten rund um den Pfarrhof.

Sehr erleichtert reagiert Johannes von Miller auf den unverhofften Erhalt des Pfarrhofes, den sein Großonkel, der Architekt Rupert von Miller, einst entworfen hatte. „Es entspricht meinen Erwartungen und Vorstellungen. Auch ich sehe die architektonische Bedeutung schon seit Langem, wie viele andere in Wiessee auch“, erzählt Johannes von Miller. Viele Monate kämpfte er gegen die Abrissbirne, die dem Pfarrhof drohte. Eine gewisse Vorahnung hatte von Miller schon, da kürzlich Wiessees Ortsplaner Eberhard von Angerer den Bau inspizierte und festgestellt haben soll, der Bau sei erhaltenswert und müsse nicht abgerissen werden.

Gleicher Meinung sei auch der Wiesseer Architekt Hans Trinkl, der über die Abrisspläne entsetzt gewesen sei. Das Haus sei super in Schuss. Dass es nicht den Bedürfnissen und Vorstellungen der Pfarrgemeinde entspreche, sei eine andere Sache. Trinkl habe festgestellt, so von Miller, der Dachstuhl sei in Ordnung und die Mauern trocken. Dies alles sei schon vor 15 Jahren mit großem Aufwand renoviert worden. Trinkl habe ihm auch Alternativpläne gezeigt, wie man mit Anbauten das Raumvolumen erweitern könne.

Statt Abriss also nun alles wieder auf Anfang. Die Denkmalschützer und die, die das Ortsbild von Bad Wiessee erhalten wollen, werden erfreut sein. Die Kirchengemeinde dagegen steht ohne Pfarrsaal demnächst vor neuen Herausforderungen.

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