Hände weg vom Steuer?

Das Unfallrisiko bei deutschen Autofahrern, die älter als 75 Jahre sind, ist sehr hoch. Experten fordern daher die Einführung verbindlicher Testfahrten. Auch im Tegernseer Tal wird häufig über die vermeintlich hohe Zahl an Unfällen mit Senioren debattiert. Dabei ist Mobilität für ältere Menschen wichtig – und die Fakten nicht eindeutig.

Wenn ältere Fahrer Gas- und Bremspedal verwechseln, kann es zu gefährlichen Situationen kommen.
Wenn ältere Fahrer Gas- und Bremspedal verwechseln, kann es zu gefährlichen Situationen kommen.

Über Verkehrsunfälle im Tal berichtet die Tegernseer Stimme mehrfach in der Woche. Schnell taucht immer wieder die Frage nach dem Alter des Verursachers auf. Nicht selten sind es ältere Mitbürger, ein Tribut an die demografische Entwicklung besonders im Tegernseer Tal. Dieser Trend wird zunehmen, urteilen Verkehrsexperten. „Doch solle man Senioren im Oberland nicht diskriminieren, denn für sie sei Mobilität gerade im ländlichen Bereich zwingend notwendig“, fordert Florian Streibl von den Freien Wählern in einem Dringlichkeitsantrag an die Bayerische Staatsregierung. Sie solle sich „gegen jede Form der Benachteiligung älterer Menschen im Straßenverkehrsrecht wenden“.

Hintergrund ist, dass jetzt Verkehrsexperten verbindliche Fahrtests für Senioren fordern. Denn schlechter sehen, schwerer hören, langsamer reagieren – die Voraussetzungen für gutes Autofahren werden im Alter nicht besser. Ältere Autofahrer sollen mittelfristig gesetzlich dazu verpflichtet werden, Testfahrten mit geschultem Personal durchzuführen – dies wurde auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar angeregt.

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Die Zahl der Kraftfahrer in hohem Alter wird wegen der demografischen Entwicklung stark zunehmen. Damit wachse auch die Unfallgefahr. „Wenn Senioren über 75 Jahren in Unfälle verwickelt sind, haben sie diese auch zu rund 75 Prozent selbst verwirklicht“, sagen Unfallforscher der Versicherer. Die Quote liege damit höher als bei der Hochrisikogruppe der 18- bis 24-Jährigen.

Hohes Verkehrsaufkommen von Senioren im Tal

„Das ist grundsätzlich ein schwieriges Thema: Mobilität im Alter und andererseits die Sicherheit“, erläutert Roland Fritsch von der Polizei Bad Wiessee, „das sind zwei Extreme, die sich da gegenüberstehen“. Man habe da ein statistisches Problem, denn Kleinunfälle würden nicht mit Geburtsdatum erfasst, nur schwerwiegende Unfälle. „Wenn diese Diskussion geführt wird, ist es der klassische Parkrempler. Weil sich da ältere Personen beim Ein- und Ausparken offenbar etwas schwerer tun. Aber hier macht das Tegernseer Tal keine Ausnahme“, so der Polizeibeamte Fritsch aus Bad Wiessee.

Eine weitere Tatsache ist wohl, dass weitaus mehr ältere Menschen im Landkreis unterwegs sind. Zumindest belegen dies die neuesten Zahlen des Landratsamtes. Während im vergangenen Jahr knapp über 2.000 Fahrzeuge auf die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren zugelassen waren, sind es dagegen bei den Senioren ab 65 Jahren 18.200 Fahrzeuge. Dennoch gebe es eine „gewisse Unschärfe“, so Pressesprecher Birger Nemitz vom Landratsamt, „denn in Deutschland müssen Halter und Fahrer eines Fahrzeugs nicht identisch sein“.

Unfallstatistik gibt wenig Aufschluss

„Eine signifikante Steigerung der Seniorenunfälle ist nicht erkennbar“, sagt Alfred Christl von der Polizei in Miesbach. Dies zeigt auch ein Blick in seine Statistik. Während im vergangenen Jahr „Junge Erwachsene“ an 304 Unfällen beteiligt waren, ist die Beteiligung von Senioren ab 65 Jahren unwesentlich höher: 357 Unfälle. „Aber ein direkter Vergleich der Altersgruppen ist nicht möglich, hier wären auch noch die tatsächliche Anzahl der Verkehrsteilnehmer in den Altersgruppen und die Fahrleistung (gefahrene km) wichtige Kenngrößen“, urteilt Verkehrsexperte Christl.

Nach der demografischen Entwicklung dürften die älteren Verkehrsteilnehmer zunehmen. Allerdings gebe es einen Lichtblick. „Bei den Heranwachsenden-Unfällen ist ein leichter Rückgang erkennbar. 2004 waren es noch 434 Unfälle „Junger Erwachsener“ mit einem Toten und 140 Verletzten. Hier wirkt sich das „begleitete Fahren“ und die Gesetzesänderungen (0,0 Promille) positiv aus“, beschreibt Christl das Lagebild.

In ihrem Dringlichkeitsantrag verweisen die Freien Wähler darauf, die Statistik zeige eindeutig, dass ältere Menschen kein erhöhtes Unfallrisiko darstellen würden. „Senioren stellten derzeit einen Bevölkerungsanteil von 21 Prozent. Sie sind aber nur zu 13 Prozent Hauptverursacher von Unfällen“, so Streibl. Dagegen würden die „Jungen Erwachsenen“ nur 8 Prozent der Gesamtbevölkerung einnehmen, „Sie sind aber“, so Streibl, „laut ADAC-Statistik zu 25 Prozent an Unfällen beteiligt“. Deshalb mache sich seine Partei für die Senioren am Steuer stark, weil die Menschen im Oberland wegen der mangelnden öffentlichen Verkehrsmittel auf das Auto angewiesen seien. Dem werden Senioren im Tal wohl kaum widersprechen.

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