Kleiner Waffenschein, groß im Kommen

Die Nachfrage nach dem sogenannten kleinen Waffenschein ist im Landkreis Miesbach explosionsartig angestiegen. Waren es 2015 nur insgesamt 50 Anträge, sind es allein im Januar bereits mehr als 100. Die Übergriffe in Köln in der Silvesternacht könnten die Ursache sein.

Der kleine Waffenschein ist groß im Kommen - auch die Bürger im Landkreis rüsten auf / Quelle: dpa
Der kleine Waffenschein ist groß im Kommen – auch die Bürger im Landkreis rüsten auf / Quelle: dpa

Immer mehr Bürger wollen den kleinen Waffenschein. Dies beobachtet das Landratsamt mit Sorge. Im Jahr 2014 seien 20 Anträge bewilligt worden, 2015 waren es bereits 50. „Im Jahr 2016, also im Januar, gab es bisher mehr als 100 Anträge für den Kleinen Waffenschein“, berichtet Birger Nemitz, Pressesprecher des Landratsamtes, das diesen Anstieg sehr kritisch sehe. „Es gibt im Landkreis objektiv keine signifikante Verschlechterung der Sicherheitslage, dies berichten auch die beteiligten Polizeiinspektionen oder das Polizeipräsidium Oberbayern Süd“, so Nemitz.

Dennoch steigt offenbar das Gefühl von Angst bei Bürgern im Landkreis. Eine Verbindung zu den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Großstädten in ganz Deutschland liegt nahe. Dabei betont Nemitz:

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Falls Bürger auf Grund eines subjektiven Gefühls der Unsicherheit nicht mehr auf die Sicherheitsorgane vertrauen, so gibt es dabei auch Defensiv-Bewaffnungen, die sehr viel sinnvoller sind als Gaspistolen.

Das Landratsamt empfiehlt „etwa Schrillalarme, Stroboskop-Taschenlampen oder konische oder ballistische CS-Sprays“, auch Tränengas genannt.

Behörden warnen vor Schreckschusspistolen

Um den kleinen Waffenschein zu bekommen, muss kein spezieller Bedarf nachgewiesen werden. Vielmehr erhält jeder Volljährige, der nicht drogen- und alkoholabhängig ist, auf Wunsch diesen Schein. Das Landratsamt holt ein polizeiliches Führungszeugnis ein, welches keine Einträge vorweisen darf. Dieser Waffenschein berechtigt zum Führen von Schreckschuss-, Signal- und Reizstoffwaffen in der Öffentlichkeit. Allerdings gilt er nur für Waffen, die das Prüfzeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt tragen.

Dass Schreckschuss- und ähnliche Waffen die Sicherheit des Trägers erhöhen, bezweifeln Waffenexperten. Nach ihrer Einschätzung kann eine solche Waffe den Benutzer, der sich nur damit verteidigen will, sogar gefährden. Ein anderer, der eine Schreckschusswaffe nicht als solche erkenne, könnte seinerseits in Selbstverteidigungsabsicht mit einer richtigen Waffe zurückschießen.

„Mit Gas- oder Signalwaffen können unter Umständen sehr gefährliche oder sogar letale Verletzungen herbeigeführt werden. Wenn diese Notwehr oder Nothilfe dann nicht verhältnismäßig war, kann es zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Problemen für den Schützen kommen“, warnt das Landratsamt Miesbach. Pressesprecher Nemitz erklärt weiter:

Vom Kleinen Waffenschein unabhängig zu sehen ist die Waffenbesitzkarte oder der Waffenschein für scharfe Waffen. Dazu muss der Beantragende die Sachkunde nachweisen. Diese Prüfungen werden sehr strikt gehandhabt, daher haben wir hier auch keinen Anstieg zu verzeichnen.

Bei der Polizei ist der kleine Waffenschein offensichtlich „im Moment kein Thema“, so Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, da es derzeit „kaum Fälle gibt, in denen die Träger solcher Waffen die Polizei vor Probleme gestellt hätten“. Doch viele Bürger haben ein subjektives Sicherheitsbedürfnis.

Oberland unter Waffen

„Der Münchner Süden rüstet auf“, beschreibt Sven Techel die Situation. Er ist Inhaber eines Waffengeschäfts im benachbarten Landkreis Bad Tölz. „Die Umsätze haben sich verfünfzigfacht. Hauptsächlich Pfefferspray und Reizgas, gefolgt von freien Waffen wie Schreckschusspistolen gehen über den Ladentisch. Was früher mal hin und wieder gekauft wurde, geschieht nun tagtäglich“.

Komplett ausverkauft bei Pfeffersprays und Gaswaffen ist nach Informationen der Tegernseer Stimme (TS) auch ein bedeutender Waffenproduzent in Bayern. Auch die nächsten Lieferungen seien schon reserviert und verkauft. Unterdessen melden auch Internethändler bereits ernsthafte Lieferengpässe. „Das ist eine abartige Entwicklung“, sagt ein Kenner der Waffenszene, der nicht genannt werden will. Weniger dramatisch dagegen sieht es Peter König als Waffenhändler in Fischbachau.

Bei Pfefferspray ist zwar der Umsatz gestiegen, aber nicht furchterregend. Vor allem Mädchen rüsten sich damit aus, ob für ihre Fahrten nachts mit dem Auto oder der S-Bahn. Sie sagen, sie würden sich sicherer fühlen, wenn sie ein solches Spray dabei haben. Ich kann nun nicht sagen, weil die Asylbewerber im Landkreis sind, dass die Leute nun mehr Angst hätten.

Bei ihm im Geschäft sei weder das eine noch das andere ausverkauft. “So furchterregend, wie die Nachfrage nach Selbstverteidigungswaffen jetzt überall publiziert wird, ist es bei mir nicht”, meint König. Dem steht gegenüber, dass nach Auskunft des Nationalen Waffenregisters Anfang des Jahres bundesweit bereits 285.900 Menschen im Besitz des kleinen Waffenscheines waren. Inzwischen dürften es deutlich mehr sein.

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