Schwerer Kindesmissbrauch am Tegernsee

In München begann heute vor dem Landgericht ein Prozess wegen sexuellen Missbrauchs in 406 Fällen. Opfer waren 16 Buben und männliche Jugendliche aus dem Tegernseer Tal im Alter zwischen acht und achtzehn Jahren: „Er war wie eine Vaterfigur.“ Dabei legt die Anklage dem mutmaßlichen Täter kaum vorstellbare Taten zur Last. Der aber beteuerte vor Gericht seine Unschuld.

Der Angeklagte Ulf G. soll laut Anklage den Kindern unvorstellbare Dinge angetan haben.
Der Angeklagte Ulf G. soll laut Anklage den Kindern kaum vorstellbare Dinge angetan haben.

Kamerascheu betrat der Angeklagte heute den Gerichtssaal B166: Eine Kapuze verdeckte sein Gesicht. Dass er in DDR-Zeiten einmal Radrennfahrer gewesen sein soll, sieht man ihm heute nicht mehr an. Er wirkt ziemlich rundlich und gedrungen, eher einem Biedermann gleich. Der Alkohol sei sein Problem, räumt der Beschuldigte ein.

Die ihm vorgeworfenen Misshandlungen wurden laut Anklage in ständig wechselnden Wohnsitzen in Bad Wiessee, Tegernsee und Kreuth begangen. Täter soll der 53-jährige Ulf G. sein. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten „schweren sexuellen Missbrauch“ von teils „widerstandsunfähigen“ Schutzbefohlenen vor.

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Doch das wahre Ausmaß des vorgeworfenen Missbrauchs wird erst beim Verlesen der 15-seitigen Anklageschrift durch Staatsanwalt Michael Steinlein deutlich. In Details schilderte der Ermittler, wie sich der Thüringer Ulf G. an den Kindern vergangen haben soll, vom Oral- bis zum Analverkehr. Unentwegt mussten die zur „Erziehung und Betreuung“ anvertrauten Buben dem im Tal lebenden Angeklagten zur Verfügung stehen.

Meist an Wochenenden, wenn sie bei ihm übernachteten, so der Vorwurf. Es gelang ihm, die anvertrauten Kinder mit „nicht altersgerechten Computerspielen, Fast-Food, Alkohol, Zigaretten und mit Ausflügen sowie Kinobesuchen an sich zu binden. Der Angeklagte soll so den gesetzlichen Vertretern ein Betreuungs- und Vertrauensverhältnis vorgespiegelt haben“, verliest der Ermittler.

„Für mich wie eine Vaterfigur“

Meist erfolgten die Übergriffe im Genitalbereich der Kinder, um „sich selbst jeweils zu erregen“, so die Anklage, die ihm auch vorwirft, dass die Schutzbefohlenen „regelmäßig täglich, teils alleine, teils zu mehreren“ bei ihm baden und anschließend „nackt sich in der Wohnung bewegen mussten“. Auf Aufforderung des Angeklagten brachten seine Opfer nach und nach weitere Freunde und Schulkameraden im Kindesalter in die Wohnung, so die Anklage. Ulf G. soll auch den Beischlaf vollzogen und Kinder „körperlich misshandelt haben“.

Ein Zeuge, den die Tegernseer Stimme in einer Verhandlungspause sprach, berichtete, dass er in Ulf G. eine Vaterfigur sah, da er ohne Vater bei seiner ledigen Mutter aufwuchs. In dieser Situation seien etliche der Opfer gewesen, so der inzwischen 27-Jährige, „ich war dreizehn, als sich der Angeklagte an mich ranmachte“.

In Bad Wiessee soll dies in den zur Last gelegten 15 Jahren in vier Wohnungen geschehen sein, in Tegernsee in zwei und in Kreuth in einer Wohnung. Am 28. August 2013 flog Ulf G. schließlich auf und wurde in Rottach-Egern verhaftet. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Seit 20 Jahren mit Kindern in Kontakt

Bis dahin war der mutmaßliche Sexualstraftäter im Tal in einigen Kantinen einer namhaften Catering-Firma tätig. Ab 2005 heuerte er als Koch in einem Rottacher Café in der Seestraße an, so die Angaben von Ulf G. zur Person. Bis zur Wende schlug sich der in Zeulenroda geborene Angeklagte in mehreren Jobs durch, bei der NVA, in der Getreidewirtschaft, als Kellner. In einem christlichen Jugenddorf in Triebes kam er 1993 erstmals mit Jugendlichen in Kontakt.

Die Staatsanwaltschaft will für die Taten 10 Jahre Haft beantragen, die Verteidigerin dagegen spricht von gut 6 Jahren mit Sexualtherapie. Das Gericht hält einen Strafrahmen von 9 bis 11 Jahren für möglich. Das Urteil in dem auf sieben Tage angesetzten Prozess soll Ende Februar gesprochen werden.

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