Verspekuliert

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Capital-Forum AG Dieter R. steht im Verdacht, 3,5 Millionen Euro eines Kunden veruntreut zu haben. Seit kurzem ermittelt nun die Staatsanwaltschaft München II „wegen des Verdachts der Untreue und Urkundenfälschung“. Mit dabei ein alter Bekannter, der schon Uli Hoeneß in die Bredouille brachte.

Achim von Engel ermittelte unter anderem im Fall von Uli Hoeneß. Nun hat der Wirtschaftsexperte einen weiteren Fall vom Tegernsee übernommen.
Achim von Engel ermittelte unter anderem im Fall Hoeneß. Nun hat der Münchner Staatsanwalt einen weiteren Fall übernommen, der am Tegernsee seinen Ursprung hat / Archivbild – Quelle: dpa

Er kennt sich inzwischen aus am Tegernsee. Vor gut zwei Jahren enttarnte er in Bad Wiessee den mächtigen FC Bayern-Boss Uli Hoeneß als Steuersünder. Im Juni ermittelte der Experte für Wirtschaftsstrafrecht Achim von Engel nun wieder im Tal.

Diesmal ging es um Hinweise, dass ein Schweizer Konto eines älteren Ehepaares ohne deren Wissen vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Capital-Forum AG in Tegernsee leergeräumt worden sein soll, um andere Finanzlöcher bei seinen Kunden auszugleichen.

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Den Schaden für das Ehepaar beziffert deren Anwalt auf 3,5 Millionen Euro. Ken Heidenreich, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft München II, bestätigt nun die Hinweise, die der Tegernseer Stimme seit Ende Juli bekannt sind:

Die Staatsanwaltschaft München II führt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und der Urkundenfälschung gegen ein ehemaliges Mitglied des Vorstandes der Firma Capital-Forum AG. Gegenstand der Ermittlungen sind Untreuehandlungen im Zeitraum von 2010 bis 2013  zum Nachteil von Kunden der Gesellschaft in einer siebenstelligen Höhe. Ein Haftbefehl gegen den Beschuldigten wurde durch das Amtsgericht München gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Weitere Angaben zum Stand des Ermittlungsverfahrens könne er derzeit nicht machen. Hintergrund des Verfahrens ist ein Konto bei der LGT-Bank in Zürich, das dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Dieter R. zur Betreuung und Verwaltung von dem Ehepaar S. schon vor etwa 20 Jahren anvertraut wurde. Seit vielen Jahren leben sie in den USA.

Millionen abgeräumt

Als Siegfried S. dann Ende 2014 einen Kontoauszug seiner Schweizer Bank erhielt, erfasste ihn das blanke Entsetzen. Statt eines Millionenguthabens war er mit 748,77 Euro im Minus. Nach mühevoller Kleinarbeit glaubt der eingeschaltete Kölner Anwalt Christian Slota die Spur des Geldes verfolgen zu können. Im Kern geht es offensichtlich darum, dass der beschuldigte heute 53-Jährige Ex-Vorstandsvorsitzende seinen Kunden eine bestmögliche Versilberung ihrer Geldeinlagen zusagte.

Als aber viele Aktien nicht hielten, was sie versprachen, und der damalige Vorstandsvorsitzende sah, dass er sich offensichtlich verspekuliert hatte, soll er mit dem ihm anvertrauten Geld von S. die Löcher bei anderen Kunden gestopft haben. „Dies sei nur zu dem Zweck geschehen, um andere enttäuschte Anleger zu befrieden“, beschreibt Anwalt Slota die möglichen Motivationsgründe des Beschuldigten.

Dieser habe mit „krimineller Energie auf das Konto seines Mandaten zugegriffen“. Dies werde von dem Ex-Vorstandschef auch nicht bestritten, so Slota nach einem Gespräch mit ihm, „er räumt ein, eine Dummheit gemacht zu haben“.

Jedoch bestreitet der Beschuldigte die nun gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Rahmen einer Stellungnahme seiner Anwälte gegenüber der Tegernseer Stimme sehr wohl. Vielmehr habe Dieter R. nicht mit Geldern von Kunden spekuliert, sondern lediglich im Rahmen der mit den Kunden bestehenden Vermögensverwaltungsverträge Kapitalanlagen für eben diese getätigt, heißt es darin.

„Umschichtungen“ des Vorstandsvorsitzenden

Das könnte aber wiederum juristische Folgen auch für die Capital-Forum AG als private Vermögensbetreuung haben. Nicht nur Slota beharrt darauf, dass die Tegernseer Firma bei allen Korrespondenzen mit seinem Mandanten S. personell wie logistisch eingebunden war. Auch der Anwalt des Beschuldigten, Ulrich Leierseder, bestätigt der Tegernseer Stimme, dass „das Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Umschichtungen steht, die von unserem Mandanten, seinerzeit als Vorstandsvorsitzender der Capital-Forum AG, veranlasst wurden“.

Genau diesen Zusammenhang bestreitet jedoch der Anwalt des Finanzdienstleisters, Michael H. Thiel. Dieter R. habe nicht nur in diesem Fall ohne Wissen der anderen Vorstände gehandelt. „Die Gesellschaft ist in diese Vereinbarungen weder eingebunden noch betroffen.“ Im November 2014 seien die übrigen Vorstände und der Aufsichtsrat der Capital-Forum AG im Zusammenhang mit überhöhten Auszahlungen von Geschäftskonten der Gesellschaft an Dritte auf Unregelmäßigkeiten im Geschäftsgebaren des ehemaligen Vorstandskollegen gestoßen.

Die Erkenntnisse seien so weitreichend gewesen, dass mit dem Kollegen eine „sofortige Beendigung der Vorstandstätigkeit umgesetzt wurde“. Eigene Nachforschungen hätten ergeben, dass der Kollege „zu Lasten der Capital-Forum AG an Dritte mehr Vergütungen zugewiesen habe, als tatsächlich gegeben waren“. Die verursachten Schäden seien zwischenzeitlich gegenüber Dieter R. zivilrechtlich geltend gemacht worden.

Klage gegen die Capital-Forum AG

So hofft man bei der Capital-Forum AG den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können. Ob das jedoch so aufgeht, ist offen. Nach Informationen der Tegernseer Stimme hat inzwischen Anwalt Christian Slota auch Klage gegen die Capital-Forum AG und deren Vorstände beim Landgericht München II eingereicht. Er sieht eine Mitschuld der anderen Vorstandskollegen.

Nachfolger von Dieter R. auf dem Chefsessel der Capital Forum AG ist inzwischen Rainer Leidecker, zuvor bereits Vorstand. Zu den Ermittlungen gegen seinen früheren Geschäftspartner und Vorstandskollegen sagt Leidecker: „Wir haben den Stein ins Rollen gebracht“. Natürlich sei er von dem Verhalten seines ehemaligen Geschäftspartner “menschlich enttäuscht“. Verständlich, denn Leidecker und Dieter R. waren über 20 Jahre lang Partner.

Pikant ist der Fall auch deswegen, weil sowohl die Capital-Forum AG als auch die Tegernseer Grund Immobilien GmbH im gleichen Haus in der Tegernseer Schwaighofstraße ihren Firmensitz haben und einige Personen in beiden Gesellschaften involviert sind. So wollte der beschuldigte Dieter R. auch noch in einem anderen Fall für das Ehepaar S. tätig werden, das noch ein Ferienhaus am Heuweg in Tegernsee besaß.

Das Geisterhaus am Leeberg
Dieses Haus am Leeberg gehörte ebenfalls dem Kläger.

Am 12. November 2014, kurz bevor R. bei der Capital-Forum AG vor die Tür gesetzt wurde, hatte er Slota um die Erteilung einer Bohrgenehmigung zur Erstellung eines Bodengutachtens für einen möglichen Kaufinteressenten gebeten. Aus dem erhofften Geschäft für die beiden Firmen wurde allerdings nichts. Sie bekamen von Siegfried S. keine Ermächtigung zum Verkauf.

Bürgermeister Johannes Hagn sprach Anfang März beim Lokaltermin von einer Seifenblase, die da gerade geplatzt war. So leicht wird der beschuldigte Dieter R. im Untreueverfahren nun vermutlich nicht davonkommen. Denn Staatsanwalt Achim von Engel ist nicht bekannt dafür, dass er klein beigibt. Focus bezeichnete ihn als „Münchens härtesten Ankläger“.

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